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OR 1 und 18; OR 253; OR 305; OR 530; ZPO 52; ZPO 57; ZPO 59 Abs. 2 lit. b; ZPO 227 und 230 ZPO; ZPO 243 Abs. 2 lit. c; SchKG 275; SchKG 102 Abs. 3

ZMP 2019 Nr. 3: Simulierter Mietvertrag. Rechtliche Einordnung der Nutzung von Wohnräumen im Kontext einer Lebensgemeinschaft. Sachliche Zuständigkeit. Verfahrensart. Doppelt relevante Tatsachen und richterliche Rechtsanwendung. Klageänderung. Prozessstandschaft bei betreibungsamtlicher Zwangsverwaltung einer Liegenschaft.

27.06.2018 | MB170012-L | Bezirksgericht Zürich | Mietgericht
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Solange während eines Arrests eine betreibungsamtliche Zwangsverwaltung besteht, ist das Betreibungsamt Prozessstandschafter des Vermieters. Die Teilnahme des Betreibungsbeamten an der Schlichtungsverhandlung führt daher zu einer gültigen Klagebewilligung. Ob der Beamte für das Verfahren Instruktionen des Arrestgläubigers eingeholt hat, hat das Gericht nicht zu kümmern (MG, E. III.2). Über doppelt relevante Tatsachen, die sowohl für die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts als auch für die Begründetheit des geltend gemachten Anspruchs von Bedeutung sind, fällt das Gericht grundsätzlich einen Sachentscheid auch dann, wenn der Prozess nicht in seine Zuständigkeit fallen würde. Dies ändert aber nichts daran, dass Zuständigkeit und Verfahrensart die Zulässigkeit einer Klageänderung und damit auch die Befugnis des Gerichts beschränken, den Fall auf einer anderen als der von einer Partei behaupteten Grundlage zu entscheiden (MG, E. IV.2.2.5). Die Frage nach der wahren Natur eines Rechtsverhältnisses ist keine blosse Rechtsfrage. Behauptet eine Partei im Verlaufe des (Rechtsmittel-)Verfahrens neu einen vom objektivierten Verständnis abweichenden tatsächlichen übereinstimmenden Willen, so ändert sie auch das Tatsachenfundament ihres Standpunkts (OG, E. III.2.3, insbes. E. III.2.3.3.2). Ein solches Verhalten verstösst gegen Treu und Glauben (OG, E. III.2.2.1 und 2.2.2). Abgesehen davon ist der Wechsel des (Wider-)Klagefundaments nur in den Grenzen der Klageänderung zulässig (OG, E. III.2.2.2.2 und 2.3).

Qualifikation der Überlassung einer Wohnung an die Partnerin einer ausserehelichen Lebensgemeinschaft und die Kinder als einfache Gesellschaft, jedenfalls nicht als Mietvertrag. Entsprechend erweisen sich die ausgesprochenen mietrechtlichen Kündigungen als nichtig, der betriebene Mietzins als nicht geschuldet. Trotz der Rechtsprechung zu den doppelt relevanten Tatsachen ist es dem Gericht verwehrt, die Rückgabe der Wohnung oder eine Entschädigungszahlung auf einer anderen Sachgrundlage anzuordnen, etwa durch Liquidation einer Gesellschaft oder gestützt auf die Regeln der Gebrauchsleihe, soweit nicht eine (zulässige) Klageerweiterung erfolgt (MG, E. IV, insbes. E. IV.2.2.5; OG, E. III.2.3).

 

Bezirksgericht Zürich

Mietgericht

Urteil

27.06.2018

MB170012-L

OR 1 und 18; OR 253; OR 305; OR 530; ZPO 52; ZPO 57; ZPO 59 Abs. 2 lit. b; ZPO 227 und 230 ZPO; ZPO 243 Abs. 2 lit. c; SchKG 275; SchKG 102 Abs. 3

Zitiervorschlag:

OGer ZH XX110001 vom 01.01.2011