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OR 271, OR 272, OR 273, ZPO 59, ZPO 235

ZMP 2020 Nr. 2: Rückzug der Kündigungsanfechtungsklage vor Schlichtungsbehörde und deren Wiedereinbringung vor Mietgericht. Gültigkeit Klagebewilligung. Berichtigung des Protokolls der Schlichtungsverhandlung. Kündigung aufgrund eines Sanierungsprojekts. Erstreckung des Mietverhältnisses.

06.03.2019 | MB180017-L | Bezirksgericht Zürich | Mietgericht
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Wurde im Protokoll der Schlichtungsverhandlung festgehalten, dass das Begehren um Anfechtung der Kündigung zurückgezogen wurde, erweist sich die Klagebewilligung, welche nur den Antrag auf Erstreckung des Mietverhältnisses enthält, deswegen nicht als ungültig, denn die Angaben für die Ausstellung der Klagebewilligung ergeben sich aus dem Protokoll (E. II.2.4.). Die Berichtigung des Protokolls ist unverzüglich nach Kenntnisnahme des vermeintlichen Fehlers bei der Instanz, über dessen Verhandlung das Protokoll erstellt wurde, zu beantragen. Dem Mietgericht ist es daher verwehrt, das Protokoll der Schlichtungsbehörde zu berichtigen. Die vom erstinstanzlichen Gericht zu prüfende Gültigkeit der Klagebewilligung kann folglich erst dort einsetzen, wo geltend gemacht wird, die Klagebewilligung widerspreche dem Schlichtungsprotokoll (E. II.2.5.). Die Wiedereinbringung des Antrags auf Anfechtung der Kündigung ist unter dem Gesichtspunkt einer Klageänderung aufgrund der materiellen Verwirkungsfrist von Art. 273 Abs. 1 OR nicht möglich (E. II.2.6.).

Wird das Mietverhältnis aufgrund geplanter Umbau- oder Sanierarbeiten gekündigt, muss ein genügend konkretes, umsetzbares und realitätsnahes Projekt vorliegen, welches nicht fern jeglicher greifbarer Realität liegt und aufgrund dessen beurteilt werden kann, dass die geplanten Arbeiten durch die Anwesenheit der Mieterschaft tangiert würden. Massgebend ist somit, ob das Projekt bzw. die Varianten soweit ausgereift sind, dass der Mieter abschätzen kann, ob eine Räumung des Mietobjekts erforderlich ist. Das Vorliegen von Plänen erweist sich ebenso nicht als notwendige Voraussetzung wie auch der Erhalt der Bewilligungen oder Hinterlegung von erforderlichen Dokumenten. Dass das geplante Projekt als nicht realitätsnah oder objektiv unmöglich erscheint, namentlich weil es ganz offensichtlich mit den Bestimmungen des öffentlichen Rechts unvereinbar ist, so dass die notwendigen Bewilligungen mit Sicherheit nicht erteilt werden, ist vom Mieter dazulegen sowie zu beweisen (E. II.2.6.8. ff.).

Eine 35-jährige Mietdauer macht eine Ortsverbundenheit glaubhaft und stellt insofern einen relevanten Faktor dar, als die Kündigung vom Mieter eine grosse Umstellung abverlangt. Von einer Ortsgebundenheit kann jedoch nur bei hinzukommenden Faktoren gesprochen werden, welche den Verbleib im Quartier erforderlich machen. Die Pflege von Sozialkontakten im Quartier, Arztbesuche in verschiedenen Stadtkreisen sowie die gewünschte Nähe zur notfallärztlichen Versorgung führen in der Stadt Zürich aufgrund des gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsnetzes und der in der ganzen Stadt gewährleisteten notfallärztlichen Versorgung vorliegend nicht zu einer Ortsgebundenheit (E. II.3.3.1.). Eine härtebegründende Situation auf dem Wohnungsmarkt ist zu verneinen, wenn das konkrete Angebot einer angemessenen Genossenschafts-Wohnung von den Mietern nur deshalb ausgeschlagen wird, weil sie den Bezug zwei Monate später wünschen, da sich der eine Mieter einer Operation aufgrund eines Leistenbruchs unterziehen musste und daher eineinhalb Monate über den Einzugstermin hinaus eingeschränkt war beim Heben von schweren Lasten (E. II.3.3.3.).

 

Bezirksgericht Zürich

Mietgericht

Urteil

06.03.2019

MB180017-L

OR 271
OR 272
OR 273
ZPO 59
ZPO 235

Zitiervorschlag:

OGer ZH XX110001 vom 01.01.2011