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OR 269 OR, OR 269a lit. b, VMWG Art. 14 Abs. 1, OR 270

ZMP 2022 Nr. 5: Anfechtung des Anfangsmietzinses nach erheblicher Umgestaltung der Sache. Umfang der Formularpflicht. Natürliche Vermutung der Missbräuchlichkeit. Berücksichtigung des Eigenfinanzierungsgrads zur Bestimmung des Zinssatzes bei wertvermehrenden Investitionen.

19.05.2022 | MJ210018-L | Bezirksgericht Zürich | Mietgericht
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Wurde die gemietete Wohnung vor dem Abschluss des Vertrages von Grund auf saniert und dabei von einer 4 - Zimmerwohnung mit teils sehr kleinen Räumen in eine grosszügige 3 ½ - Zimmerwohnung umgewandelt, so kann trotz identischer Gesamtgrösse nicht mehr von der Vermietung der gleichen Sache gesprochen werden. Im Formular zur Festsetzung des Anfangsmietzinses genügt es daher, die Tatsache der Neuvermietung zu erwähnen. Insbesondere ist es für eine gültige Mietzinsfestsetzung nicht erforderlich, dass die Veränderung zum Mietzins gegenüber der alten Wohnung angegeben oder begründet wird (MG, E. IV.1; OG, E. III.1.5 und III.2.5; BGer, E. 3).


Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Vergleich zwischen altem und neuem Mietzins gänzlich unmöglich wäre. Die vom Bundesgericht verlangte Plausibilisierung einer massiven Mietzinserhöhung basiert auf der allgemein gültigen Erfahrungstatsache, dass ein zulässiger Mietzins sich an den gesetzlichen Missbrauchskriterien muss messen lassen. Wo dies nicht der Fall ist, besteht eine natürliche Vermutung der Missbräuchlichkeit. Im konkreten Fall ist eine Plausibilisierung möglich, indem man den aktualisierten Altmietzins aufgrund der Mietpreisstrukturerhebung 2006 sowie des Mietpreisindexes der Stadt Zürich errechnet, diesen um den wertvermehrenden Teil der Baukosten erhöht und das Resultat hernach mit dem vereinbarten Anfangsmietzins vergleicht. Bei der Verzinsung der wertvermehrenden Investitionen ist aufgrund der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Nettorendite auch der Eigenfinanzierungsgrad der Investition zu berücksichtigen. Ergibt die Rechnung eine massive und nicht zu erklärende Erhöhung, greift eine natürliche Vermutung der Missbräuchlichkeit und liegt es an der Vermieterin, mittels konkreter Vergleichsobjekte darzutun, dass der verlangte Anfangsmietzins der orts- und quartierüblichen Vergleichsmiete entspricht. Alternativ kann sie die Vermutung durch geeignete Indizien im Sinne der Rechtsprechung zu erschüttern versuchen.

 

Es wäre mit dem Bundesrecht nicht zu vereinbaren, bei der Festsetzung des Anfangsmietzinses einfach auf den statistischen Zins der alten Wohnung oder gar auf den zuletzt bezahlten Zins im Vormietverhältnis zurückzugreifen, denn dies hiesse, die erheblichen Baukosten seitens der Vermieterin zu ignorieren. Bei der Festsetzung des Anfangsmietzinses im Allgemeinen und bei der Bewertung von Statistiken und von baulichen Massnahmen im Besonderen steht den kantonalen Instanzen ein erheblicher Ermessensspielraum zu (MG, E. IV.3-4; OG, E. III.3; BGer, E. 5.3).

 

 

Bezirksgericht Zürich

Mietgericht

Urteil

19.05.2022

MJ210018-L

OR 269 OR
OR 269a lit. b
VMWG Art. 14 Abs. 1
OR 270

Zitiervorschlag:

OGer ZH XX110001 vom 01.01.2011