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OR 257d, OR 259d, OR 119, ZGB 2

ZMP 2022 Nr. 11: Auswirkungen von Corona-Massnahmen auf Geschäftsmietverträge. Mietzinsminderung. Unmöglichkeit. Clausula rebus sic stantibus (richterliche Vertragsanpassung an ausserordentliche Umstände). Zahlungsverzugskündigung.

15.12.2022 | MJ220002-L | Bezirksgericht Zürich | Mietgericht
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Bei einem gewöhnlichen Mietvertrag über Geschäftsräume liegt das Betriebsrisiko einzig bei der Mieterin (ZMP 2021 Nr. 10). Die Vermieterin hat nur zu gewährleisten, dass die Sache in einem zum vertraglichen bzw. vorausgesetzten Gebrauch tauglichen Zustand übergeben und unterhalten wird. Daher kommt eine Vertragskorrektur nach den Regeln über die Teilunmöglichkeit von Verträgen (Art. 119 OR) oder eine Mietzinsminderung (Art. 259d OR) im Falle einer behördlichen Schliessung von Geschäftsbetrieben grundsätzlich nicht infrage. Vorbehalten bleiben besondere Zusicherungen der Vermieterin, mit welchen diese sich am Betriebsrisiko der Mieterin beteiligt, etwa in der Gestalt einer Umsatzgarantie (E. IV.1.3-6, E. IV.2). Ohne eine solche Zusicherung kommt eine gerichtliche Vertragsanpassung wegen wesentlich veränderter Umstände in Betracht (clausula rebus sic stantibus). Die Voraussetzungen sind aber streng. Eine Anpassung setzt die Würdigung sämtlicher Umstände bei beiden Vertragsparteien voraus. Die Mieterin hat insbesondere darzulegen, wie sich die behördlichen Massnahmen konkret auf ihren Geschäftsbetrieb ausgewirkt haben, welche betrieblichen Gegenmassnahmen sie mit welchem Erfolg ergriffen hat, welche staatliche Hilfen sie in Anspruch genommen und warum sie auf mögliche Gegenmassnahmen verzichtet hat. Dabei ist es zwar ihr gutes Recht, der Gegenpartei und dem Gericht die Einsicht in ihre Geschäftsbücher zu verweigern. Dies hat aber zur Folge, dass die Grundlagen für eine Vertragsanpassung von vornherein fehlen.

 

Auch bei Betrieben der Gastronomie-Branche verhält sich dies nicht anders. Es ist zwar klar, dass diese sowohl zeitlich wie auch sachlich in schwer wiegender Weise von behördlichen Massnahmen betroffen waren. Legen sie aber die konkreten Auswirkungen auf ihren Betriebserfolg nicht dar, kommt eine gerichtliche Korrektur des vertraglichen Vereinbarten nicht infrage (E. IV.3).

 

Dies verhielte sich auch dann nicht anders, wenn ein Anspruch auf eine Mietzinsminderung grundsätzlich zu bejahen wäre, denn damit dessen Höhe bestimmt werden könnte, müsste bekannt sein, wie sich die Summe aller Massnahmen auf den konkreten Geschäftsbetrieb genau ausgewirkt hat (E. III.1.7).

 

Entstehen aus einer eigenmächtigen Reduktion des Mietzinses Zahlungsrückstände, kann die Vermieterin der Mieterin nach Art. 257d OR eine Nachfrist von 30 Tagen ansetzen und ihr die Kündigung androhen. Erfolgt auch innert der Nachfrist keine Zahlung, kann sie den Vertrag mit einer Frist von 30 Tagen auf ein Monatsende kündigen (E. IV.4).

 

Bezirksgericht Zürich

Mietgericht

Urteil

15.12.2022

MJ220002-L

OR 257d
OR 259d
OR 119
ZGB 2

ZMP 2021 Nr. 10

Zitiervorschlag:

OGer ZH XX110001 vom 01.01.2011