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OR 253a Abs. 1, OR 269 f., OR 269d Abs. 3, OR 271 ff., OR 273c
ZMP 2023 Nr. 8: Einführung von Kündigungsgrundsätzen auf dem Weg der einseitigen Vertragsänderung. Missbräuchlichkeit. Verstoss gegen zwingendes Recht.
19.07.2023
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MJ230011-L
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Bezirksgericht Zürich
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Mietgericht
Details
Im Parallelfall ZMP 2021 Nr. 13 entschied das Mietgericht in einem nicht angefochtenen Beschluss vom 29. September 2021, dass sich durch die Einführung von Grundsätzen zur künftigen Ausübung des Kündigungsrechts via eine einseitige Vertragsänderung der Vermieterin nichts an der materiellen Ausgangslage ändert, so dass an einer gerichtlichen Beurteilung der Wirksamkeit einer solchen Änderung kein aktuelles Rechtsschutzinteresse besteht. Nachdem es im vorliegenden Fall gleich entschieden hatte, zog die Stadt Zürich als Vermieterin den Entscheid ans Obergericht weiter, welches zum Schluss kam, dass sehr wohl ein Rechtsschutzinteresse bestehe (Urteil NG220008-O v. 6. Dezember 2022 = ZR 2023 Nr. 5). Im vorliegenden Rückweisungsverfahren beurteilt das Mietgericht die Klage materiell und erklärt die Änderungen für missbräuchlich.
Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass sich in gewissen Konstellationen eine künftige Kündigung als gültig erweist, welche die Beklagte letztlich zur Umsetzung ihrer Vermietungsrichtlinien als ultima ratio einzusetzen gedenkt. Soweit sie aber mit ihrer Vertragsänderungsanzeige der städtischen Verordnung über die Grundsätze der Vermietung von Wohnungen VGV unmittelbare Wirkungen verleihen oder gar die Überprüfung einer Kündigung nach den Massstäben von Art. 271 und 271a OR ausschliessen möchte, ist die angezeigte Vertragsänderung nach Auffassung von Miet- und Obergericht missbräuchlich, soweit sie nicht nichtig ist, denn eine solche Regelung verstösst gegen Art. 273c OR. In einer Vertragsbeziehung mit einer schon zuvor sachlich nicht beschränkten Kündigungsfreiheit der Vermieterin ist es nicht möglich, mittels Vertragsänderung zusätzliche, unanfechtbare Kündigungsgründe zu schaffen. Die umfassende Prüfung der Gültigkeit künftiger Kündigungen bleibt deshalb auch vom vorliegenden Entscheid unberührt.
Gleich verhält es sich nach Auffassung der kantonalen Instanzen mit dem Bestreben der Beklagten, für ihren Immobilienpark durch Datenbeschaffung auf Vorrat zu gläsernen Mieterinnen und Mietern zu kommen. Dafür besteht keine gesetzliche Grundlage, denn die Datenbeschaffung ist nur im Einzelfall möglich, eine erzwungene Zustimmung der Mieterin zur Datenbearbeitung oder -beschaffung ist datenschutzrechtlich unbeachtlich und die Beklagte kann sich eine solche auch nicht durch Vertragsgestaltung im Voraus, unter Androhung einer Kündigung oder durch eine einseitige Vertragsänderung nach Art. 269d Abs. 3 OR gültig verschaffen.
Das Bundesgericht beurteilt hingegen die Belegungsvorschriften ebenso als zulässig wie die weitreichenden Einschränkungen des Gebrauchsrechts, welche die Beklagte anstrebt, namentlich die Mindestbelegungsvorschriften, die Einkommensgrenzen und die Beschränkung des Rechts zur Untervermietung. Die Stadt Zürich habe ein legitimes Interesse an diesen Beschränkungen und folglich auch an der vorgesehenen Datenerhebung, da es «sich um mit öffentlichen Mitteln verbilligte Wohneinheiten der öffentlichen Hand» handle (E. 3.3.2, 3.3.3 und 3.3.4).
Zur Frage, ob sich der Streit um mit öffentlichen Mitteln verbilligte Wohneinheiten dreht, s. die redaktionellen Anmerkungen zum bundesgerichtlichen Urteil ganz am Schluss.
Bezirksgericht Zürich
Mietgericht
Urteil
19.07.2023
MJ230011-L
OR 253a Abs. 1
OR 269 f.
OR 269d Abs. 3
OR 271 ff.
OR 273c
ZMP 2021 Nr. 13 ZR 2023 Nr. 5
Zitiervorschlag:
OGer ZH XX110001 vom 01.01.2011