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OR 271 Abs. 1 ZGB 2 Abs. 2
ZMP 2024 Nr. 6: Festhalten an einer Sanierungskündigung trotz hinreichender Auszugsgarantie: Verstoss gegen Treu und Glauben?
19.02.2024
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MJ230057-L
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Bezirksgericht Zürich
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Mietgericht
Details
Das Festhalten an einer Sanierungskündigung der Vermieterin trotz entsprechender Auszugsgarantie des Mieters kann nach Auffassung des Mietgerichts eine nutzlose Rechtsausübung darstellen, die nicht mit dem Grundsatz von Treu und Glauben zu vereinbaren ist und somit zur Aufhebung der Kündigung führt. Die Garantie muss in Form einer verbindlichen und vorbehaltslosen Zusage des Mieters ergehen, gemäss welcher er für die Dauer der Sanierungsarbeiten das Mietobjekt freigibt und auf weitere Ansprüche verzichtet. Sie muss inhaltlich genügend bestimmt und ernsthaft formuliert sein. Mit dem Vorliegen einer hinreichenden Auszugsgarantie wird das Interesse der Vermieterschaft an der Auflösung des Mietverhältnisses hinfällig. Die Auszugsgarantie kann auch nach dem Aussprechen der Sanierungskündigung abgegeben werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Mieter dazu zuvor keine Möglichkeit hatte. Eine Garantie ist nur beachtlich, wenn die Kündigung fristgerecht angefochten wurde.
Anders das Obergericht: Zwar ist klar, dass das Bauprojekt der Vermieterin im vorliegenden Fall als Folge der Auszugsgarantie des Mieters nicht behindert und der Kündigungszweck erreicht wird. Die Kündigungsanfechtung nach Art. 271 f. OR bezieht sich aber nur auf die Kündigung als solche, so dass die entsprechenden Regeln nicht auf das Festhalten an einer gültig ausgesprochenen Kündigung übertragen werden können. Rechtsmissbrauch in der vorliegenden Konstellation misst sich daher am strengen Massstab von Art. 2 Abs. 2 ZGB. Das Verhalten der Vermieterin erscheint im konkreten Fall zwar nicht ohne weiteres als nachvollziehbar und weckt auch Zweifel an der Lauterkeit des angegebenen Kündigungsgrundes. Es kann aber nicht gesagt werden, dass es auf keinerlei Anerkennung innerhalb der Rechtsgemeinschaft trifft und sich als besonders stossend erweist. Zudem schüfe ein gegenteiliger Entscheid für Vermieter generell eine gesetzlich nicht vorgesehene Handlungspflicht. Dies erscheint im Hinblick auf das Gewaltenteilungsprinzip als problematisch und sprengt den Rahmen eines korrigierenden Notbehelfs.
Bezirksgericht Zürich
Mietgericht
Urteil
19.02.2024
MJ230057-L
OR 271 Abs. 1
ZGB 2 Abs. 2
Zitiervorschlag:
OGer ZH XX110001 vom 01.01.2011