Zürcher Mietrechtspraxis (ZMP) - Jahrgang 2022

OR 257d, OR 259d, OR 119, ZGB 2

ZMP 2022 Nr. 11: Auswirkungen von Corona-Massnahmen auf Geschäftsmietverträge. Mietzinsminderung. Unmöglichkeit. Clausula rebus sic stantibus (richterliche Vertragsanpassung an ausserordentliche Umstände). Zahlungsverzugskündigung.

15.12.2022 | MJ220002-L | Bezirksgericht Zürich | Mietgericht
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Bei einem gewöhnlichen Mietvertrag über Geschäftsräume liegt das Betriebsrisiko einzig bei der Mieterin (ZMP 2021 Nr. 10). Die Vermieterin hat nur zu gewährleisten, dass die Sache in einem zum vertraglichen bzw. vorausgesetzten Gebrauch tauglichen Zustand übergeben und unterhalten wird. Daher kommt eine Vertragskorrektur nach den Regeln über die Teilunmöglichkeit von Verträgen (Art. 119 OR) oder eine Mietzinsminderung (Art. 259d OR) im Falle einer behördlichen Schliessung von Geschäftsbetrieben grundsätzlich nicht infrage. Vorbehalten bleiben besondere Zusicherungen der Vermieterin, mit welchen diese sich am Betriebsrisiko der Mieterin beteiligt, etwa in der Gestalt einer Umsatzgarantie (E. IV.1.3-6, E. IV.2). Ohne eine solche Zusicherung kommt eine gerichtliche Vertragsanpassung wegen wesentlich veränderter Umstände in Betracht (clausula rebus sic stantibus). Die Voraussetzungen sind aber streng. Eine Anpassung setzt die Würdigung sämtlicher Umstände bei beiden Vertragsparteien voraus. Die Mieterin hat insbesondere darzulegen, wie sich die behördlichen Massnahmen konkret auf ihren Geschäftsbetrieb ausgewirkt haben, welche betrieblichen Gegenmassnahmen sie mit welchem Erfolg ergriffen hat, welche staatliche Hilfen sie in Anspruch genommen und warum sie auf mögliche Gegenmassnahmen verzichtet hat. Dabei ist es zwar ihr gutes Recht, der Gegenpartei und dem Gericht die Einsicht in ihre Geschäftsbücher zu verweigern. Dies hat aber zur Folge, dass die Grundlagen für eine Vertragsanpassung von vornherein fehlen.

 

Auch bei Betrieben der Gastronomie-Branche verhält sich dies nicht anders. Es ist zwar klar, dass diese sowohl zeitlich wie auch sachlich in schwer wiegender Weise von behördlichen Massnahmen betroffen waren. Legen sie aber die konkreten Auswirkungen auf ihren Betriebserfolg nicht dar, kommt eine gerichtliche Korrektur des vertraglichen Vereinbarten nicht infrage (E. IV.3).

 

Dies verhielte sich auch dann nicht anders, wenn ein Anspruch auf eine Mietzinsminderung grundsätzlich zu bejahen wäre, denn damit dessen Höhe bestimmt werden könnte, müsste bekannt sein, wie sich die Summe aller Massnahmen auf den konkreten Geschäftsbetrieb genau ausgewirkt hat (E. III.1.7).

 

Entstehen aus einer eigenmächtigen Reduktion des Mietzinses Zahlungsrückstände, kann die Vermieterin der Mieterin nach Art. 257d OR eine Nachfrist von 30 Tagen ansetzen und ihr die Kündigung androhen. Erfolgt auch innert der Nachfrist keine Zahlung, kann sie den Vertrag mit einer Frist von 30 Tagen auf ein Monatsende kündigen (E. IV.4).

 

Bezirksgericht Zürich

Mietgericht

Urteil

15.12.2022

MJ220002-L

OR 257d
OR 259d
OR 119
ZGB 2

ZMP 2021 Nr. 10

OR 271, OR 271a Abs. 1 lit. a, OR 273 Abs. 5

ZMP 2022 Nr. 10: Zulässigkeit einer Kündigung des Hauptvermieters zum Zwecke der Vermietung an die Untermieter. Bedeutung der Prüfung einer Erstreckung von Amtes wegen bei abgewiesener Anfechtung einer Kündigung.

15.11.2022 | MJ220030-L | Bezirksgericht Zürich | Mietgericht
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Dass der Hauptvermieter einer Untervermietung der Sache zugestimmt hat, welche die Mieter und Untervermieter zur Ermöglichung eines Auslandaufenthalts eingegangen sind, ändert nichts an der Kündigungsfreiheit im Hauptvertrag. Die Absicht des Hauptvermieters, mit den Untermietern ein direktes Mietverhältnis einzugehen, stellt daher grundsätzlich kein missbräuchliches Kündigungsmotiv dar, sondern erweist sich als legitim. Anders zu entscheiden wäre nur bei Zusicherungen des Vermieters im Hauptverhältnis oder bei einer Absicherung der Rückkehrmöglichkeit in Form einer Mindestdauer des Hauptvertrages.

 

Dass die zuständige Behörde von Gesetzes wegen zu prüfen hat, ob das Mietverhältnis erstreckt werden kann, wenn sie eine Kündigung als gültig erachtet, stellt keine echte Einschränkung der Dispositionsmaxime dar, sondern will nur vermeiden, dass die Mieter den Erstreckungsanspruch mangels eines Antrags innert Frist verlieren, obwohl sie mit der Aufhebung der Kündigung letztlich mehr als eine blosse Erstreckung verlangt haben. Daher erweist sich der Rückzug eines eventuell gestellten Erstreckungsbegehrens als wirksam.

 

Bezirksgericht Zürich

Mietgericht

Urteil

15.11.2022

MJ220030-L

OR 271
OR 271a Abs. 1 lit. a
OR 273 Abs. 5

OR 1, OR 18, OR 115, OR 156, OR 253, OR 256 Abs. 2 lit. b, OR 257a, OR 259b lit. b, OR 267, OR 273c, ZPO 6, GOG 21

ZMP 2022 Nr. 9: Auslegung einer Vertragsklausel zur Beendigung eines Geschäftsmietvertrages im Hinblick auf ein Bauprojekt. Gegenleistungen nicht mietrechtlicher Art. Sachliche Zuständigkeit. Ersatzvornahme bei einem Mangel: Beweislast. Nebenkosten: Abrechnungspflicht des Untervermieters trotz Untätigkeit des Hauptvermieters. Rohbaumiete: Rückbauverpflichtung.

26.09.2022 | MH210002-L | Bezirksgericht Zürich | Mietgericht
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Vereinbaren die Parteien vor dem Hintergrund einer Verlängerungsoption des Mieters mit einem Vertragszusatz eine Auskaufsmöglichkeit des Vermieters mit typfremden Gegenleistungen (Beschäftigung des Mieters als Arbeitnehmer des Vermieters, Auskaufszahlung), so liegt darin ein an eine Potestativbedingung geknüpftes Recht des Vermieters. Ein Abruf liegt nicht vor, wenn der Vermieter in der Folge den Mietvertrag im Kontext von Zahlungsschwierigkeiten des Mieters kündigt (E. 4.3). Anders das Obergericht: Dass die Fälligkeit der Auskaufszahlung an einen Abruf geknüpft ist, ändert nichts daran, dass die Zahlung selber nicht an eine Bedingung geknüpft ist, so wenig wie die Option auf eine Beschäftigung als Arbeitnehmer. Eine Vertragslücke liegt nicht vor (OG E. 7, 8 und 10) bzw. nur bezüglich der Frist zur Optionsausübung im Falle einer Beendigung des Vertrags durch Zahlungsverzug (OG E. 10.3).

 

Trotz der typfremden Gegenleistungen der Auskaufsvereinbarung ist das Mietgericht im Interesse einer einheitlichen Entscheidung für die Beurteilung des ganzen Vertragsverhältnisses sachlich zuständig. Das Handelsgericht kommt unter Vorbehalt von Art. 6 Abs. 3 ZPO nur zum Zug, wenn aktiv wie passiv nur Personen in den Prozess involviert sind, die im Handelsregister eingetragen sind (MG E. 2, OG E. 4.1).

 

Eine Ersatzvornahme zur Behebung eines Mangels setzt zwar nur die Untätigkeit des Vermieters innert einer angemessenen Behebungsfrist trotz Kenntnis des Mangels voraus. Der Nachweis eines Mangels sowie der Kenntnis des Vermieters obliegt aber dem Mieter (MG E. 4.4).

 

Werden für Nebenkosten Akontozahlungen vereinbart, so besteht die Abrechnungsverpflichtung des Untervermieters unabhängig von derjenigen des Hauptvermieters. Liefert der Hauptvermieter die erforderlichen Daten nicht, kann der Untermieter (wie auch der Hauptmieter) die Akontozahlungen zurückfordern. Ansprüche des Untervermieters gegen den Hauptvermieter bleiben vorbehalten (MG E. 4.5).

 

Ohne eine im Vertrag vorgesehene Entschädigung ist die Verpflichtung des Mieters zum Rückbau im Rahmen einer Rohbaumiete nicht zulässig. Die Kosten einer Nachreinigung der vom Mieter ausgebauten Sache können diesem bei Beendigung der Miete nicht belastet werden, wenn der Vermieter die Ausbauten ohnehin entfernen lässt (MG E. 4.6).

 

Bezirksgericht Zürich

Mietgericht

Urteil

26.09.2022

MH210002-L

OR 1
OR 18
OR 115
OR 156
OR 253
OR 256 Abs. 2 lit. b
OR 257a
OR 259b lit. b
OR 267
OR 273c
ZPO 6
GOG 21

ZPO 199, ZPO 204, ZPO 206

ZMP 2022 Nr. 8: Schweigen der Parteien bei der Schlichtungsverhandlung ist kein unzulässiger Verzicht auf die Schlichtung.

12.09.2022 | MJ220026-L/Z2 | Bezirksgericht Zürich | Mietgericht
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Lassen sich beide Parteien auf die Schlichtung nicht ein, indem sie an der Verhandlung Äusserungen zur Sache unterlassen, kommt dies zwar einem an sich unzulässigen Verzicht auf die Schlichtung nahe. Das Gesetz knüpft Säumnisfolgen aber einzig ans Nichterscheinen der Parteien. Deren Verhalten bleibt daher folgenlos. Die Klagebewilligung erweist sich mithin nicht als mangelhaft.

 

Bezirksgericht Zürich

Mietgericht

Beschluss

12.09.2022

MJ220026-L/Z2

ZPO 199
ZPO 204
ZPO 206

OR 271 Abs. 1, OR 271a Abs. 1 lit. b, OR 269, VMWG 10, VMWG 18, ZPO 59 Abs. 2 lit. a, ZGB 1

ZMP 2022 Nr. 3: Kündigungsschutz. Änderung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Ertragsoptimierungskündigung(?). Tragweite der relativen Methode bei einer parallel zur Kündigung ausgesprochenen Mietzinserhöhung wegen ungenügenden Ertrags. Rechtsschutzinteresse der nicht mehr in der Mietwohnung lebenden Mitmieterin. Offensichtlich übersetzter Kaufpreis. Statistische Methode.

22.08.2022 | MJ210065-L | Bezirksgericht Zürich | Mietgericht
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Zwar ist es auch erstinstanzlichen Gerichten nicht verwehrt, eine Praxisänderung aufzugleisen. Die beteiligten Gerichtspersonen haben dabei aber eine andere Rolle als im Rahmen wissenschaftlicher Beiträge. Was «bewährte Überlieferung» ist und was nicht, hat schon aufgrund der schweizerischen Justizverfassung in erster Linie das Bundesgericht zu entscheiden (MG E. 3).

 

In einzelnen Entscheiden hat das Bundesgericht Mitmietern, die nicht mehr in der Mietwohnung leben, das Rechtsschutzinteresse an der Beteiligung an einer Kündi-gungsschutzklage abgesprochen. Ein Mietvertrag verpflichtet die Mieter indessen nicht, die gemietete Sache persönlich zu benutzen. Einer von mehreren Mitmietern ist so oder anders vom Kündigungsschutzverfahren betroffen, denn vom Ausgang des Verfahrens hängt auch ab, wie lange seine Mitverpflichtung aus dem Mietvertrag noch dauert. So oder anders ist ihm zu ermöglichen, durch Beteiligung am Ver-fahren seine rechtlich geschützten Interessen zu wahren. Es ist ihm zu überlassen, ob er sich aktiv an der Klage der übrigen Mieter beteiligen, ob er sich von diesen passiv ins Recht fassen lassen oder ob er sich durch eine vorbehaltlose Unterziehungserklärung vom Prozess fernhalten will (MG E. 4.2).

 

Das Bundesgericht erachtet in ständiger, seit 1994 verfolgter Rechtsprechung eine Kündigung des Vermieters zur Erzielung eines höheren Ertrags durch Vermietung an einen Dritten als zulässig. Einzige Einschränkung ist, dass der Ertrag nach absoluter Methode berechnet bei einer Drittvermietung tatsächlich nicht nur unerheblich verbessert werden kann. Zwar ist dieser Rechtsprechung Kritik erwachsen und hat das Bundesgericht in neuester Zeit angetönt, sich damit auseinandersetzen zu wollen. Darin liegt aber noch keine Ankündigung einer Praxisänderung.

 

Wollte man die Rechtsprechung zur Ertragsoptimierungskündigung auf eine neue Grundlage stellen, müsste auch eine Harmonisierung von Kündigungsschutz und Mietzinsanfechtung angestrebt werden. Insbesondere wären Anpassungen nach absoluter Methode generell innert viel kürzerer Dauer zuzulassen als nach geltender Rechtsprechung zur sog. relativen Methode, damit dem Gedanken der Kündigungsfreiheit auch im Bereich des Mietzinses Rechnung getragen würde. Zudem müsste mit einer Forcierung der statistischen Mietzinsbestimmung dafür gesorgt werden, dass übersetzte Kaufpreise tatsächlich kontrolliert und tiefe Altmieten in vernünftigem Masse angehoben werden können. Nur dann liesse es sich rechtfertigen, Ertragsoptimierungskündigungen mangels eines legalen Nutzens generell für missbräuchlich zu erklären. Dafür dass das Bundesgericht solche weitreichenden Schritte plant, gibt es derzeit keine Hinweise (MG E. 5.1, insbes. 5.1.4).

 

Im konkreten Fall spielt es daher keine Rolle, dass der Mietzins schon von den früheren Eigentümern im Einvernehmen mit den Mieterinnen erheblich angehoben wurde und dass die neue Eigentümerin kurz vor der angefochtenen Kündigung eine vorbehaltlose Mietzinserhöhung ausgesprochen hat. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist jene nicht treuwidrig, denn gestützt auf den Kaufpreis ist eine Erhöhung nach absoluter Methode zulässig, und nicht einmal bei Überprüfung des Kaufpreises nach der statistischen Methode kann hier gesagt werden, dass ein nicht offensichtlich übersetzter Preis keine Mietzinserhöhung nach absoluter Methode erlauben würde (MG E. 5.2).

 

Anderer Auffassung ist das Obergericht: Kurze Zeit nach einer vorbehaltlosen Mietzinserhöhung eine Kündigung auszusprechen, um durch Vermietung an eine Drittperson einen höheren Ertrag zu erzielen, erweist sich im konkreten Mietverhältnis als widersprüchliches Verhalten, denn mit der Mitteilung der Erhöhung bringt die Vermieterin zum Ausdruck, dass sie einen genügenden Ertrag erzielt. Mit der Anpassungsmöglichkeit unmittelbar nach dem Erwerb sind die berechtigten Anliegen der Vermieterin gewahrt, denn wenn diese ihr Ziel einer Mietzinserhöhung auch im bestehenden Vertragsverhältnis erreichen kann, so fehlt es ihr offenkundig an einem legitimen Interesse zur Kündigung; es läge ein krasses Interessenmissverhältnis vor und die Ausübung des Kündigungsrechts wäre ein Akt schonungsloser – weil unnötiger – Rechtsausübung. Verzichtet sie aber mangels Vorbehalt auf eine weitergehende Anpassung, muss sie sich als Folge von Treu und Glauben auch beim erweckten Vertrauen der Mieterinnen bezüglich des genügenden Ertrags behaften lassen und kann nicht kurz darauf mit der Begründung kündigen, der Ertrag sei nun doch unzureichend. Ob die Vermieterin bei der vorbehaltlosen Anpassung wusste, dass eine weitergehende Erhöhung möglich gewesen wäre, ist nicht von Belang, denn es wäre ihre Sache gewesen, sich rechtzeitig kundig zu machen, und das berechtigte Vertrauen der Mieterinnen erstreckt sich auch darauf, dass die Vermieterin dies getan hat (OG E. 5.5 - 5.10).

 

In einem obiter dictum regt die Zweitinstanz unter Berufung auf die Lehre generell eine Überprüfung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Ertragsoptimierungskündigung an: Zutreffend ist demnach zwar, dass die relative Methode gegenüber dem neuen Mieter, dem die Mietsache zu einem höheren Mietzins vermietet werden soll, nicht gilt. Unrichtig ist aber, dass im Verhältnis zum bisherigen Mieter eine Kündigung zulässig sein soll, denn gerade in diesem Verhältnis, in dem die Gültigkeit der Kündigung zu beurteilen ist, beansprucht die relative Methode Geltung. Das Obergericht erblickt in neueren Bundesgerichtsurteilen zumindest die Bereitschaft des höchsten Gerichts, die Frage neu zu prüfen, und lässt durchblicken, dass es bereit wäre, die vom Mietgericht für diesen Fall angeregte Lockerung der Rechtsprechung zur relativen Methode bei Mietzinsanpassungen bei Gelegenheit in Erwägung zu ziehen (OG E. 6.5 - 6.8).

 

Vor Bundesgericht hält die Vermieterin nicht mehr an der Gültigkeit der Kündigung fest, sondern beschränkt sich darauf, die Gültigkeit der parallel zur Kündigung angezeigten Mietzinserhöhung gestützt auf eine Ertragsberechnung geltend zu machen. Das Bundesgericht erklärt wie das Obergericht die Mietzinserhöhung für missbräuchlich, da die Vermieterin kurz nach dem Erwerb der Liegenschaft eine vorbehaltlose Mietzinserhöhung ausgesprochen hat, so dass sie sich als Folge der relativen Methode nur noch auf Veränderungen berufen kann, die nach dieser früheren Erhöhung eingetreten sind. Zudem hat die Vermieterin nicht mit hinreichender Deutlichkeit klargemacht, dass die Mietzinserhöhung nur für den Fall einer Ungültigerklärung der Kündigung gelten soll.

 

Bezirksgericht Zürich

Mietgericht

Urteil

22.08.2022

MJ210065-L

OR 271 Abs. 1
OR 271a Abs. 1 lit. b
OR 269
VMWG 10
VMWG 18
ZPO 59 Abs. 2 lit. a
ZGB 1

OR 272 ff., AHVG 43quater

ZMP 2022 Nr. 7: Sanierungskündigung. Erstreckung des Mietverhältnisses. Nachweis einer Härte bei betagten Mietenden. Suchbemühungen. Beanspruchung von Hilfsmitteln. Ersatzobjekte der Vermieterseite.

18.08.2022 | MJ220008-L | Bezirksgericht Zürich | Mietgericht
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Die Mieterstreckung dient nicht dazu, der Mieterin möglichst lange die weitere Benützung der Sache zu sichern. Fehlt es insbesondere an regelmässigen und zumutbaren Suchbemühungen, so kommt höchstens eine kurze Erstreckung infrage, soweit eine Härte nicht anderweitig erstellt ist. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass von den Mietern keineswegs verlangt werden kann, dass sie sich auf jedes nur erdenkliche Objekt bewerben, welches im Internet ausgeschrieben wird und zu ihrem Anforderungsprofil passt. Ein hohes Alter impliziert im Allgemeinen zwar eine Härte, weil älteren Menschen die Suche nach Ersatz und die Anpassung an neue Lebensumstände schwerer fällt als jüngeren. Auch von ihnen kann aber erwartet werden, dass sie von Vermieterseite angebotene Ersatzobjekte nicht leichthin ausschlagen. Lehnen sie einen Umzug in eine Alterseinrichtung ab – was ihr gutes Recht ist – haben sie auch die in Betracht kommenden Hilfen in Anspruch zu nehmen, die für ein Leben in einer gewöhnlichen Mietwohnung erforderlich sind, etwa für die Bewältigung eines etwas längeren Fusswegs zu Einkaufsmöglichkeiten oder zur nächsten Haltestelle des öffentlichen Verkehrs. Wer das Angebot der Vermieterseite ablehnt, die gekündigte Wohnung nach einer rund vier Monate dauernden Renovation zu einem moderaten Mietzins wieder zu beziehen und sich für die Bauzeit eine Zwischenlösung zu suchen, muss auch bei langer Mietdauer und Altersbeschwerden damit rechnen, dass höchstens auf eine kurze Erstreckung erkannt wird (E. IV.2-4).

 

Bezirksgericht Zürich

Mietgericht

Urteil

18.08.2022

MJ220008-L

OR 272 ff.
AHVG 43quater

OR 271 f., OR 272 ff., ZPO 126

ZMP 2022 Nr. 6: Kündigungsschutz bei Gesamtsanierung der Liegenschaft. Erstreckung des Mietverhältnisses. Keine Sistierung wegen eines Baurekurses der Mieterin.

29.06.2022 | MJ210064-L | Bezirksgericht Zürich | Mietgericht
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Eine Kündigung zum Zwecke einer Sanierung erweist sich als gültig, wenn das Projekt tatsächlich umgesetzt werden soll, im Zeitpunkt der Kündigung als ausgereift erscheint und wenn seine Umsetzung die Weiterbenutzung des Mietobjekts erheblich erschweren würde. Zudem muss das Umbauprojekt realisierbar sein und darf nicht objektiv unmöglich erscheinen. Eine Baubewilligung braucht nicht vorzuliegen. Ist sie dagegen erstinstanzlich bereits erteilt worden, bildet dies ein gewichtiges Indiz dafür, dass das Projekt nicht an unüberwindlichen öffentlich-rechtlichen Hindernissen leidet. Dass Anpassungen nötig werden, gehört zu jedem grösseren Projekt; dies bildet daher keinen Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Kündigung, auch nicht vor dem Hintergrund einer verschärften Praxis der Baubehörden zum Lärmschutz. Gleiches gilt für den Umstand, dass im gleichen Mietverhältnis vor über zehn Jahren mehrmals Vermieterkündigungen aufgehoben wurden, u.a. weil ein ernsthaftes Projekt nicht glaubhaft erschien (MG E. IV.1.1.3 und 1.2.3-4; OG E. 3.3).

 

Unternimmt die Mieterin nur punktuelle Suchbemühungen und hat sie gar an sich taugliche Ersatzobjekte abgelehnt, spricht dies gegen einen legitimen Zweck eines Begehrens auf Mieterstreckung (MG E.IV.2.2-3; OG E. 4.3 und 4.5).

 

Das Kündigungsschutzverfahren ist nicht allein im Hinblick auf ein von der Mieterin angestrengtes Rekursverfahren gegen die Bewilligung des Sanierungsprojekts zu sistieren. Die sich in den beiden Prozessen stellenden Rechtsfragen sind nicht die gleichen und auch nicht direkt voneinander abhängig. Zudem droht eine Blockierung beider Verfahren, wenn – wie hier – das Baurekursgericht sein Verfahren zur Vereinfachung der Legitimitätsprüfung bis zum Urteil im mietrechtlichen Verfahren sistiert hat (MG E. II.2).

 

Bezirksgericht Zürich

Mietgericht

Urteil

29.06.2022

MJ210064-L

OR 271 f.
OR 272 ff.
ZPO 126

BGer 4A_246/2023 vom 17. Juli 2023 (Parallelverfahren)

OR 269 OR, OR 269a lit. b, VMWG Art. 14 Abs. 1, OR 270

ZMP 2022 Nr. 5: Anfechtung des Anfangsmietzinses nach erheblicher Umgestaltung der Sache. Umfang der Formularpflicht. Natürliche Vermutung der Missbräuchlichkeit. Berücksichtigung des Eigenfinanzierungsgrads zur Bestimmung des Zinssatzes bei wertvermehrenden Investitionen.

19.05.2022 | MJ210018-L | Bezirksgericht Zürich | Mietgericht
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Wurde die gemietete Wohnung vor dem Abschluss des Vertrages von Grund auf saniert und dabei von einer 4 - Zimmerwohnung mit teils sehr kleinen Räumen in eine grosszügige 3 ½ - Zimmerwohnung umgewandelt, so kann trotz identischer Gesamtgrösse nicht mehr von der Vermietung der gleichen Sache gesprochen werden. Im Formular zur Festsetzung des Anfangsmietzinses genügt es daher, die Tatsache der Neuvermietung zu erwähnen. Insbesondere ist es für eine gültige Mietzinsfestsetzung nicht erforderlich, dass die Veränderung zum Mietzins gegenüber der alten Wohnung angegeben oder begründet wird (MG, E. IV.1; OG, E. III.1.5 und III.2.5; BGer, E. 3).


Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Vergleich zwischen altem und neuem Mietzins gänzlich unmöglich wäre. Die vom Bundesgericht verlangte Plausibilisierung einer massiven Mietzinserhöhung basiert auf der allgemein gültigen Erfahrungstatsache, dass ein zulässiger Mietzins sich an den gesetzlichen Missbrauchskriterien muss messen lassen. Wo dies nicht der Fall ist, besteht eine natürliche Vermutung der Missbräuchlichkeit. Im konkreten Fall ist eine Plausibilisierung möglich, indem man den aktualisierten Altmietzins aufgrund der Mietpreisstrukturerhebung 2006 sowie des Mietpreisindexes der Stadt Zürich errechnet, diesen um den wertvermehrenden Teil der Baukosten erhöht und das Resultat hernach mit dem vereinbarten Anfangsmietzins vergleicht. Bei der Verzinsung der wertvermehrenden Investitionen ist aufgrund der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Nettorendite auch der Eigenfinanzierungsgrad der Investition zu berücksichtigen. Ergibt die Rechnung eine massive und nicht zu erklärende Erhöhung, greift eine natürliche Vermutung der Missbräuchlichkeit und liegt es an der Vermieterin, mittels konkreter Vergleichsobjekte darzutun, dass der verlangte Anfangsmietzins der orts- und quartierüblichen Vergleichsmiete entspricht. Alternativ kann sie die Vermutung durch geeignete Indizien im Sinne der Rechtsprechung zu erschüttern versuchen.

 

Es wäre mit dem Bundesrecht nicht zu vereinbaren, bei der Festsetzung des Anfangsmietzinses einfach auf den statistischen Zins der alten Wohnung oder gar auf den zuletzt bezahlten Zins im Vormietverhältnis zurückzugreifen, denn dies hiesse, die erheblichen Baukosten seitens der Vermieterin zu ignorieren. Bei der Festsetzung des Anfangsmietzinses im Allgemeinen und bei der Bewertung von Statistiken und von baulichen Massnahmen im Besonderen steht den kantonalen Instanzen ein erheblicher Ermessensspielraum zu (MG, E. IV.3-4; OG, E. III.3; BGer, E. 5.3).

 

 

Bezirksgericht Zürich

Mietgericht

Urteil

19.05.2022

MJ210018-L

OR 269 OR
OR 269a lit. b
VMWG Art. 14 Abs. 1
OR 270

OR 1, OR 18, OR 272 ff., OR 273, ZPO 59 Abs. 2 lit. a

ZMP 2022 Nr. 4: Erstreckung des Mietverhältnisses. Aktivlegitimation. Rechtsschutzinteresse. Nachweis einer Härte.

18.05.2022 | MJ220074-L | Bezirksgericht Zürich | Mietgericht
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Wird jemand im Mietvertrag als Mieter 2 und Solidarhafter bezeichnet, so kommt ihm nach Vertrauensprinzip die Position eines Mitmieters zu. Er ist daher aktivlegitimiert für eine Klage auf Erstreckung (E. IV.3-4). Es geht nicht an, ihm das Rechtsschutzinteresse an der Klage mit der Begründung abzusprechen, er bewohne die Mietsache nicht selber (E. IV.5).

Die Mieterstreckung dient nicht dazu, den Mietern möglichst lange die weitere Benützung der Sache zu sichern. Fehlt es insbesondere an regelmässigen und zumutbaren Suchbemühungen, so kommt höchstens eine kurze Erstreckung infrage, soweit eine Härte nicht anderweitig erstellt ist. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass von den Mietern keineswegs verlangt werden kann, dass sie sich auf jedes nur erdenkliche Objekt bewerben, welches im Internet ausgeschrieben wird und zu ihrem Anforderungsprofil passt. Familiäre, berufliche oder schulische Verhältnisse sind für eine Härte zwar relevant. Innerhalb der Stadt Zürich vermögen die durch längere Transportwege begründeten Verschlechterungen mit Blick auf die gute Erschliessung mit öffentlichen Verkehrsmitteln aber i.d.R. keine Härte zu begründen, wenn den betroffenen Familienmitgliedern vom Alter her die Benützung solcher Transportmittel zumutbar ist. Ein Sanierungsvorhaben bildet trotz seiner finanziellen Natur durchaus ein gewichtiges Vermieterinteresse. Beim Erstreckungsentscheid berücksichtigen die Gerichte auch die Vorlaufzeit, welche der Vermieter den Mietern über die Kündigungsfrist hinaus gewährt hat  (E. V.2-4).

 

Bezirksgericht Zürich

Mietgericht

Urteil

18.05.2022

MJ220074-L

OR 1
OR 18
OR 272 ff.
OR 273
ZPO 59 Abs. 2 lit. a

OR 1, OR 253 ff., ZPO 265, GOG 21, GOG 26, StGB 186

ZPO 2022 Nr. 1: Rechtliche Qualifikation des Hotelbeherbergungsvertrags. Sachliche Zuständigkeit von Mietgericht und Schlichtungsbehörde. Hausrecht des Gastes. Antrag auf superprovisorische Wiedereinweisung.

01.04.2022 | MJ220023-L | Bezirksgericht Zürich | Mietgericht
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Der Hotelbeherbergungsvertrag stellt einen Innominatkontrakt dar, der verschiedene Elemente des Kauf-, Miet-, Werkvertrags- und Auftragsrechts enthält. Zwar erfüllt er aus Sicht des Gastes auch Wohnzwecke. Je nach dem Inhalt des konkreten Vertrags können die Bestimmungen über die Miete von Wohnräumen zur Anwendung gelangen. Für gewöhnlich ist dies aber nicht der Fall, denn die Unterbringung erfolgt aufgrund des Hausrechts des Gastgebers zum vorübergehenden Zwecke der Erbringung der versprochenen Dienstleistungen. Entsprechend verfügt der Gast nur ein vom Gastgeber abgeleitetes Hausrecht, welches der Gastgeber im Übrigen benötigt, um seiner öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der betrieblichen Ordnung nachkommen zu können. Der Umstand allein, dass eine zunächst auf kurze Dauer angelegte Beherbergung von den Parteien über Wochen und Monate hinweg fortgesetzt wird, bewirkt keine Änderung des Vertragsinhalts. Der Gastgeber ist daher berechtigt, das Vertragsverhältnis mit einer kurzen Vorankündigungsfrist von 24 Stunden zu beenden, dem Gast das Hausrecht zu entziehen und sich polizeilicher Hilfe zu versichern, wenn der Gast sein Zimmer nicht freiwillig zurückgibt. Ausgeschlossen ist es lediglich, den Gast ohne Vorankündigung und ohne wichtigen Grund von einem Moment auf den anderen auf die Strasse zu setzen.

Für die Zuständigkeit der Schlichtungsbehörde in Mietsachen und des Mietgerichts genügt es, dass die Berufung der klagenden Partei auf eine Wohnraummiete nicht von vornherein fadenscheinig oder inkohärent ist. Dann behandelt das angerufene Gericht die Klage, trifft die beantragten vorsorglichen Massnahmen und fällt am Ende einen Sachentscheid auf der massgeblichen rechtlichen Grundlage.

 

Bezirksgericht Zürich

Mietgericht

Beschluss

01.04.2022

MJ220023-L

OR 1
OR 253 ff.
ZPO 265
GOG 21
GOG 26
StGB 186

Art. 211 Abs. 3 ZPO

ZMP 2022 Nr. 2: Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche nach Eigenbedarfskündigung. Rechtskraft des Urteilsvorschlags der Schlichtungsbehörde bei Abschreibung des Verfahrens vor Mietgericht aufgrund Nichtleistung des Prozesskostenvorschusses.

22.12.2021 | MJ210013-L/U | Bezirksgericht Zürich | -
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Der Klage betreffend Schadenersatz und Genugtuung nach einer Eigenbedarfskündigung steht gemäss Bundesgericht ein rechtskräftiger Entscheid über die Gültigkeit der Kündigung entgegen, weshalb die Revision des Kündigungsschutzurteils zu erwirken sei. Der Urteilsvorschlag der Schlichtungsbehörde, welcher die Gültigkeit der Kündigung aufgrund von Eigenbedarf festhält, erwächst in Rechtskraft, wenn er zwar fristgerecht abgelehnt und die Klage innert Frist ans Mietgericht prosequiert worden ist, indes das Verfahren vor Mietgericht aufgrund der Nichtleistung des Kostenvorschusses abgeschrieben wurde, d.h. ein Nichteintretensentscheid erging. Wird im Rahmen einer Klage auf Schadenersatz erneut geltend gemacht, die Kündigung verstosse gegen Treu und Glauben, ist das Gericht an die rechtskräftige Abweisung der Klage auf Anfechtung der Kündigung gebunden und kann diese Frage nicht neu beurteilen. Die Forderungsklage ist abzuweisen.

 

Bezirksgericht Zürich

-

Urteil

22.12.2021

MJ210013-L/U

Art. 211 Abs. 3 ZPO